Ein orangeroter Griff zum 100. Geburtstag
Wenn Unternehmen Ihren Geburtstag feiern, so wie das »Alessi« im Jahr 2021 tut (es ist der 100.), dann kommen sie mitunter auf die Idee, Sonder-Editionen ihrer Klassiker herauszubringen. Genau das hat man in diesem Falle getan. Und der ikonographischen »9090« von Richard Sapper einen knallroten, gelochten Griff verpasst. Sieht ganz wunderbar aus, wie wir finden. Der Preis freilich ist auch ein anderer, das heisst, höherer.
Weil es sich um eine Sonder-Edition handelt, hat man eine beschränkte Zahl von Exemplaren produziert. Wir haben uns ins Zeug gelegt, um für Sie ein paar an Land zu ziehen. Sollten Sie noch Informationsbedarf, die »9090« betreffend haben - bitte gerne.
Die Mokakanne aus dem New Yorker »MoMA«
Es gibt sehr wenige Mokakannen, die nicht nur Design-Geschichte geschrieben haben, sondern die auch in die Sammlung des New Yorker »Museum of Modern Art« aufgenommen wurden, sehr funktionell sind, aus hochwertigem Edelstahl gefertigt, immer noch bestens aussehen und bis auf den heutigen Tag produziert werden. Uns ist exakt 1 solche Espressokanne bekannt, auf die all das zutrifft: die »9090« von »Alessi«, entworfen von dem bekannten Designer Richard Sapper, der 2015 verstorben ist.
Die »9090« von Sapper ist die erste Mokakanne in einer langen Reihe von Editionen, die »Alessi« bis auf den heutigen Tag herausbringt. Seit 1978, dem Erscheinungsjahr der Sapperschen Kanne, bittet die norditalienische Firma immer wieder Designer, neue Kannen zu entwerfen und nicht nur solche; so hat der in München geborene Richard Sapper für »Alessi« unter anderem einen ebenso berühmten Wasserkessel geschaffen, das Modell »9091« (»Bollitore« genannt).
Die »9090« von Alessi by Richard Sapper
In einer Dokumentation aus dem Jahr 1983 spricht Richard Sapper über die Ideen, die seinem Entwurf der Mokakanne »9090« zugrunde liegen. Es habe ihn immer gewundert, erzählt er, dass Designer bisher immer versucht hätte, das Ding wie eine Kaffeekanne aussehen zu lassen, wo eine Caffettiera doch ganz anders funktioniere: wie eine Dampfmaschine nämlich. Deshalb sei es für ihn auch klar gewesen: »Mein Entwurf sollte wie eine Dampfmaschine aussehen«. Er habe keinen Sinn darin gesehen, deren komplexe Funktionsweise zu verstecken.
Auch über die vollkommen neuartige Art spricht Sapper, den Ober- und Unterteil der Kanne miteinander zu verbinden. Klassischerweise würden ja die beiden Teile verschraubt. Er hingegen habe den Griff in eine Art Riegel verwandelt, mit dessen Hilfe man die Kannenteile mit einer Handbewegung verbinden könne.
Der breite, über die Grundform des Zylinders auskragende Boden wiederum habe den Zweck, als »Schild gegen die Flammen des Herdes« zu dienen, also des Gasherdes, an den Sapper bei seinem Design offensichtlich gedacht hat. Zudem verhindere der breite Boden ein unnötiges Erwärmen des Griffes.
Schliesslich sei die Gestaltung der »9090« sehr stark durch das verwendete Material (rostfreier Edehlstahl, der Sapper immer schon sehr phaszinierte) und durch die automatisierte Produktionsweise der Kanne beeinflusst worden, die aus über 100 Einzelzeilen bestehe.
Es ist ein besonderes Erlebnis, Sapper über seinen Entwurf (und nicht nur diesen) sprechen zu hören. Sie können gleich damit loslegen - hier die ist sie schon, die erwähnte Dokumentation. Ganz zu Anfang hören Sie seine wohl schönste Aussage: Alle meinten, Industriedesign sei eine sehr ernste Angelegenheit. Das finde er nicht: Design sollte den Menschen ein wenig Spass vermitteln, das sei deutlich wichtiger. Was für ein freundlicher Humanismus.
Dokumentation über Sapper und die »9090«
Das Video startet bereits an der Stelle, an der Sapper über die »9090« zu sprechen beginnt; die Dokumentation wurde 1983 gedreht von Eila Hershon und Roberto Guerra
Technische Details
Hersteller: »Alessi S.p.A.«, Omegna (Italien)
Name: »9090«
Designer: Richard Sapper / »Alessi«
Entwurfsjahr: 1978 / 2021
Produktnummer: 9090 / 100
Material Kocher: Rostfreier Edelstahl (18/10)
Besonderheiten I: Bei der vorliegenden Ausprägung der »9090« handelt es sich um eine Sonder-Edition, die sich allein durch die Farbe des Griffs von der klassischen Version unterscheidet. Dieser hier ist sehr rot und gelocht. »Alessi« sprach davon, die Auflage limitieren zu wollen
Besonderheiten II: für Gas-, Elektro-, Glaskeramik- und Induktions-Kochfelder geeignet
Besonderheiten III: Sicherheitsventil
Besonderheiten IV: Wenn Sie die Kanne auf dem Gasherd verwenden, darf die Gasflamme nicht über den Kessel hinausschlagen
Reduktionsfilter: Im Lieferumfang ist ein Reduktionsfilter enthalten (Ausnahme ist die 1er-Kanne), das heisst, Sie können den Trichter mit der halben Menge Kaffeepulver füllen, um bloss eine halbe Portion Moka zuzubereiten oder aber einen Verlängerten produzieren
Maße 3 Tassen: Höhe: 17,5 cm / ø Boden 11,0 cm / Gewicht: 630 gr
Maße 6 Tassen: Höhe: 18,8 cm / ø Boden 12,4 cm / Gewicht: 832 gr
Füllmenge 3 Tassen: 150 ml
Füllmenge 6 Tassen: 300 ml
Reinigung: Nur mit Wasser reinigen; nicht spülmaschinen-geeignet; weder Stahlwolle noch Scheuermittel verwenden (Gefahr des Zerkratzens)
Vor dem 1. Gebrauch: mit Wasser ausspülen, mehrmals Kaffee kochen, wegschütten, dann erst loslegen
Ersatzteile: »Alessi« bietet für die »9090« folgende Ersatzteile an: Dichtung aus Silikon, Sieb, Trichter, Reduktionssieb
Auszeichnungen: u.v.a. »Compasso d'Oro«
Hergestellt: in Italien
Lieferumfang: 1 Espressokocher im edlen Alessi-Karton / 1 Reduktionsfilter
Richard Sapper
Der Designer und Hochschulprofessor Richard Sapper wurde 1932 in München geboren. Er gehört zu den wichtigsten Designern seiner Generation (er ist 2015 verstorben). Begonnen hat er bei Mercedes Benz, wo es ihn nicht lange hielt und er nach Mailand übersiedelte. Eine für Designer ganz ausgezeichnete Idee. Dort begann er mit Entwürfen für Elektrogeräte, so gestaltete er ein ikonographisches Radio namens »TS 502« (1963, gemeinsam mit Marco Zanuso, von dem wir ebenfalls ein Produkt im Angebot haben und zwar den Mokkakocher namens »Carmencita«) und einen ebensolchen SW-Fernsehapparat namens »Algol 11« (1964).
Einen absoluten Design-Klassiker entwarf Sapper 1971, die Tischlampe namens »Tizio«, die bis heute in vielen Büros zu finden ist und durch ihren Minimalismus ebenso beeindruckt wie durch ihre perfekt austarierte Konstruktion. Für »Alessi« schuf Sapper ein ebenso emblematisches Ding wie die »9090« und zwar den berühmten Wasserkessel »9091« mit der zweistimmigen Flöte (1984).
Das umfassende Schaffen Sappers hier in diesen Absatz quetschen zu wollen erscheint uns ungehörig - sollten Sie mehr über diesen Designer wissen wollen (und das sollten Sie, so unsere Empfehlung): Sie wissen, wo Sie zu suchen haben.
Die Alessis - eine Kürzestbiographie
Die Alessis, die dem Unternehmen ihren Namen gegeben haben, stammen aus einem Ort namens Omegna, der für seine lange Handwerks-Tradition bekannt ist und sich um die Jahrhundertwende zu einem Zentrum der metallverarbeitenden Industrie entwickelte - nicht zuletzt auch wegen der anderen bekannten piemontesischen Fabrikantenfamilie, der Bialettis (ja, genau der) und der Mottas. Die sitzen ebenfalls in Omegna. Die waren den Alessis kurz zuvor gekommen und hatten 1919 (ebenfalls in Omegna) einen Betrieb zur Herstellung von Espressokannen gegründet.
Anfangs firmierten die Allessis unter dem Kürzel »FAO«, was für »Fratelli Alessi Omegna« stand, und wurden vor allem mit der Produktion von Messingknäufen bekannt; zudem stellten sie verschiedene Haushaltsgegenstände her, unter anderem auch Tabletts, Zuckerdosen, Nussknacker, aber auch Kaffeekannen.
Design spielte bei den Alessis stets eine wichtige Rolle. Es sollte freilich bis zum Jahr 1955 dauern, dass die Alessis eine Tradition begründeten, der sie bis heute verbunden geblieben sind: der Zusammenarbeit mit externen Designern. Die nahmen sich dann einzelner Haushaltsartikel an und verwandelten sie in unverwechselbare, ästhetische Persönlichkeiten - was freilich nicht bedeutete, dass die solcherart wachgeküssten Objekte auch von praktischem Nutzen waren. Das wohl bekannteste Beispiel für ein ikonografisch gestaltetes, für den Alltagseinsatz aber gänzlich ungeeignetes Ding ist wohl Philippe Starcks Zitronenpresse namens »Juicy Salif«.
Die Liste der weltbekannten Designer, mit denen Alessi zusammenarbeitete, ist lang und eindrucksvoll. Zu ihnen gehören Philippe Starck und Ettore Sottsass ebenso wie Richard Sapper, Achille Castiglioni, Alessandro Mendini, Aldo Rossi, Norman Foster, Zaha Hadid, Jean Nouvel und Patricia Urquiola.
Die Alessis und Bialettis kommen nicht nur aus demselben Ort, sie sind auch miteinander verwandt, denn der legendäre Alfonso Bialetti (der Erfinder des »Moka Express«, yes) heiratete in die Alessi-Familie ein, weshalb auch Alberto Alessi eine wunderbare Hommage an seinen Großvater mütterlicherseits schreiben konnte (nachzulesen hier).
Die Bestandteile der »9090«
(c) Alessi