Ikone revisited (jetzt auch in schwarz)
Darf man an einer Ikone herumfummeln? Schwierige Frage. Genau das hat nämlich die Firma »Alessi« getan, indem sie den bekannten Architekten & Designer David Chipperfield gebeten hat, den 1933 von Alfonso Bialetti erfundenen Espressokocher namens »Moka Express« zu überarbeiten. Unsere (unmassgebliche) Antwort: Natürlich darf man an einer Ikone herumfummeln, vorausgesetzt man weiss, was man tut. Und David Chipperfield tut das selbstverständlich. Aber alles der Reihe nach.
Das Funktions-Prinzip des Mokakochers ist ebenso einfach wie perfekt: Kochendes Wasser wird durch gemahlenen Kaffee gedrückt und produziert auf diese Weise ein tiefschwarzes, cremaloses Getränk. Finito. An diesem Grundprinzip hat sich bis auf den heutigen Tag nichts geändert. Und es lässt sich auch kaum etwas verbessern daran - sieht man einmal von den Sieb-Experten der Firma »IMS« ab, die einen Satz feiner Siebe entwickelt haben, die man nachträglich einbauen kann (Sie finden sie daher auch in unserem Shop).
Wer also einen Mokakocher auf den Markt bringen will, wie das »Alessi« seit einigen Jahrzehnten tut, der muss sich etwas Eigenes einfallen lassen, um die Menschen von sich zu überzeugen. »Alessi« hat einen Weg gefunden, indem es immer wieder andere Designer bittet, den Kocher neu zu interpretieren. Nicht immer in so augenfälliger Nähe zum Ur-Kocher.
Die »Moka« von Alessi by David Chipperfield
Bei der »Moka« von »Alessi« handelt es sich um das bisher jüngste Kind aus der »Alessi«-Kocher-Kombo. Und man sieht ihm seine Traditionslinie auch sofort an. Die »Moka« (2019 vorgestellt) besteht ebenfalls aus einem vieleckigen Grundkorpus, doch der Brite David Chipperfield hat der geometrischen Urform ein paar zusätzliche Ecken spendiert (11 statt 8), um ihr die Strenge zu nehmen.
Verstärkt hat Chipperfield diesen ästhetischen Ansatz, indem er den Ur-Kocher gleichsam von oben ein wenig zusammengedrückt hat. Mit dem Ergebnis, dass seine »Moka« eine weichere, breithüftigere Anmutung bekommen hat. Dass der Kocher einen freundlich vertraut ansieht hat auch damit zu tun, dass Chipperfield den etwas antiquiert anmutenden »Bialetti«-Deckel (eine Art polygonales Dach mit Griff-Spitze) kurzerhand abrasiert hat und durch einen planen Deckel ersetzt, der streng funktional wirkt; Sie können darauf Ihre Espressotasse vorwärmen.
Auch den (strengen) Griff und den (eckigen) Nupsi zum Öffnen des Deckels hat der Designer überarbeitet. Beides wirkt nun wie aus einem Guss, der Henkel streckt sich kantig und klar dem Zugriff des Mokakochenden entgegen; das Grau des Materials trägt sein Übriges dazu bei, dass sich die neue »Moka« in das Grundequipment jeder zeitgenössischen Küche eingliedert, als sei sie von Anfang an dabei.
Leiten liess sich David Chipperfield bei seiner Arbeit von seinen Erinnerungen an den sinnlichen Akt des Mokazubereitens. So spricht er vom typischen Geräusch, das die Kanne beim Öffnen und Schliessen mache und vom »Grollen«, das der Kocher produziere, wenn der Kaffee fertig geworden sei. Lauter Details, so Chipperfield, die sich ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben hätten. »Meine Idee war es«, sagt Chipperfield weiter, »etwas zu tun, das diese Erinnerungen intensivieren würde; ich wollte keine Kaffeemaschine erfinden, sondern die Geschichte dieses Objekts, das meiner Meinung nach eine Art Archetyp für sich ist, neu intensivieren«. Um abschliessend zusammenzufassen: »Ich wollte ihre wichtigsten Eigenschaften bewahren: das Material, den Klang, die wesentliche Form seiner Ecken.« Und das ist ihm wirklich auf eindrucksvolle Weise gelungen, finden wir.
Technische Details
Hersteller: »Alessi S.p.A.«, Omegna (Italien)
Name: »Moka«
Produktnummer: DC06
Material Kocher: Aluminium-Guss
Farbe Kocher außen: schwarz matt
Farbe Kocher innen: aluminiumfarben
Material Griff und Nupsi: Polyamide
Farbe Griff und Nupsi: grau
Besonderheiten I: für Gas-, Elektro- und Glaskeramik-Kochfelder geeignet (nicht für Induktionsherde)
Besonderheiten II: Sicherheitsventil
Besonderheiten III: Wenn Sie die Kanne auf dem Gasherd verwenden, darf die Gasflamme nicht über den Kessel hinausschlagen
Obacht: keinesfalls in der Spülmaschine reinigen - die Oberfläche der Kanne wird stumpf und unansehnlich
Maße 1 Tasse: Höhe: 9,8 cm / ø Boden 6,0 cm / Gewicht: 235 gr
Maße 3 Tassen: Höhe: 12,3 cm / ø Boden 7,8 cm / Gewicht: 400 gr
Maße 6 Tassen: Höhe: 16,2 cm / ø Boden 8,5 cm / Gewicht: 627 gr
Füllmenge 1 Tasse: 70 ml
Füllmenge 3 Tassen: 150 ml
Füllmenge 6 Tassen: 300 ml
Reinigung: Nur mit Wasser reinigen; nicht spülmaschinen-geeignet; weder Stahlwolle noch Scheuermittel verwenden (Gefahr des Zerkratzens)
Vor dem 1. Gebrauch: mit Wasser ausspülen, mehrmals Kaffee kochen, wegschütten, dann erst loslegen
Ersatzteile: »Alessi« bietet für die »Moka« folgende Ersatzteile an: Dichtung aus Silikon, Sieb, Trichter, Trichter für »American Coffee« (nicht jedoch für die 1-Tassen-Kanne)
Hergestellt: »außerhalb der EU« (wie es auf der Verpackung heisst)
Lieferumfang: 1 Espressokocher im Alessi-Karton
David Chipperfield
Der britische Architekt und Designer David Chipperfield wurde 1953 in London geboren und studierte Architektur, bis er 1985 sein erstes Architekturbüro eröffnete. Er entwirft - ziemlich erstaunlich für den Neuerfinder einer Moka-Ikone - vor allem Wolkenkratzer. Er sei, schreibt die FAZ, zwei Traditionslinien verpflichtet, nämlich der klassischen Moderne und der japanischen Baukunst.
Berliner kennen Sir David Chipperfield nicht nur deshalb besonders gut, weil er hier im Jahr 1998 ein weiteres Büro eröffnet hat, sondern weil er in der Stadt zwei zentrale Kultur-Bauwerke renovierte bzw. wieder aufbaute: das Neue Museum auf der Museumsinsel und die Neue Nationalgalerie von Mies van der Rohe.
Im FAZ-Stil-Fragebogen ist unter anderem nachzulesen, dass David Chipperfield der Ansicht ist, dass Kochen sein größtes Talent sei und dass er, zu seinem eigenen Erstaunen, abergläubisch sei: »Seltsamerweise ja. Viel Aberglaube basiert in Wahrheit auf Erfahrung. Als Architekt weiß ich genau, dass es Unglück bringt, unter einer Leiter durchzugehen: Oben steht meist jemand, der etwas fallen lassen könnte.« Ein Aberglaube, den Chipperfield mit Schauspielerinnen und Schauspielern teilt. Auch auf der Bühne würde das nie jemand tun - aber das führt hier eindeutig vom Thema ab.
Die Alessis - eine Kürzestbiographie
Die Alessis, die dem Unternehmen ihren Namen gegeben haben, stammen aus einem Ort namens Omegna, der für seine lange Handwerks-Tradition bekannt ist und sich um die Jahrhundertwende zu einem Zentrum der metallverarbeitenden Industrie entwickelte - nicht zuletzt auch wegen der anderen bekannten piemontesischen Fabrikantenfamilie, der Bialettis (ja, genau der) und der Mottas. Die sitzen ebenfalls in Omegna. Die waren den Alessis kurz zuvor gekommen und hatten 1919 (ebenfalls in Omegna) einen Betrieb zur Herstellung von Espressokannen gegründet.
Anfangs firmierten die Allessis unter dem Kürzel »FAO«, was für »Fratelli Alessi Omegna« stand, und wurden vor allem mit der Produktion von Messingknäufen bekannt; zudem stellten sie verschiedene Haushaltsgegenstände her, unter anderem auch Tabletts, Zuckerdosen, Nussknacker, aber auch Kaffeekannen.
Design spielte bei den Alessis stets eine wichtige Rolle. Es sollte freilich bis zum Jahr 1955 dauern, dass die Alessis eine Tradition begründeten, der sie bis heute verbunden geblieben sind: der Zusammenarbeit mit externen Designern. Die nahmen sich dann einzelner Haushaltsartikel an und verwandelten sie in unverwechselbare, ästhetische Persönlichkeiten - was freilich nicht bedeutete, dass die solcherart wachgeküssten Objekte auch von praktischem Nutzen waren. Das wohl bekannteste Beispiel für ein ikonografisch gestaltetes, für den Alltagseinsatz aber gänzlich ungeeignetes Ding ist wohl Philippe Starcks Zitronenpresse namens »Juicy Salif«.
Die Liste der weltbekannten Designer, mit denen Alessi zusammenarbeitete, ist lang und eindrucksvoll. Zu ihnen gehören Philippe Starck und Ettore Sottsass ebenso wie Richard Sapper, Achille Castiglioni, Alessandro Mendini, Aldo Rossi, Norman Foster, Zaha Hadid, Jean Nouvel und Patricia Urquiola.
Die Alessis und Bialettis kommen nicht nur aus demselben Ort, sie sind auch miteinander verwandt, denn der legendäre Alfonso Bialetti (der Erfinder des »Moka Express«, yes) heiratete in die Alessi-Familie ein, weshalb auch Alberto Alessi eine wunderbare Hommage an seinen Großvater mütterlicherseits schreiben konnte (nachzulesen hier).
Die Bestandteile der »Moka«
(c) Alessi