Hallo - und auf Wiedersehen!
So auf den ersten Blick betrachtet wirkt die Sache höchst einfach: Papierfilter rein, Kaffee mahlen, heißes Wasser drauf - und fertig ist er, der Filterkaffee. Es spricht nichts dagegen, daß Sie auch weiterhin so verfahren, wenn das Ergebnis Ihrem Geschmack entspricht. Wer sind wir, Ihnen da reinpfuschen zu wollen? Eben. Am besten, Sie hören hier zu lesen auf. Hat uns gefreut, daß Sie vorbeigeschaut haben. Bis bald.
Mit medium flow zu vollmundigem Geschmack
Oh - Sie sind ja immer noch hier. Offensichtlich wollen Sie doch ein wenig mehr erfahren. Gerne, denn wir haben uns jetzt mal so richtig in die Tiefen der Frage gestürzt: »Was macht eigentlich einen guten Kaffeefilter aus?« Achtung, das wird lang! Bevor es mit diesem Tieftauchgang losgeht, eine kurze Zwischenbemerkung: Jahrelang hat »Hario« seine V60-Filterpapiere in unterschiedlichen Fabriken in Japan und in Europa hergestellt. Es war also schwer, etwas Verbindliches über sie zu sagen. Diese Zeiten sind vorbei. Mittlerweile werden alle »Hario«-V60-Papierfilter (ob nun gebleicht oder natur) in einer einzigen Fabrik produziert. Sie befindet sich in Koga-shi in der Präfektur Ibaraki. Die genaue Adresse lautet: 1371 Morokawa, Koga-shi, Ibaraki 306-0126, Japan (nur für den Fall, daß Sie vorbeischauen wollen).
Kurz-Zusammenfassung: Was die »Hario«-V60-Filter auszeichnet
Moka Consorten Brew Balance Score (MCBBS): X,X (an dem arbeiten wir noch)
Hergestellt aus: Pulp-Papier; durchschnittliche Grammatur (wie viele andere Papiere auch); mittlere Papier-Dicke, deutlich dicker als z.B. die »Sibarist«-Filter; moderate Durchlässigkeit
Eigenschaften des »Hario«-V60-Papiers: Der Kaffee fließt mittelschnell durch den Filter; dadurch werden mehr Inhaltsstoffe extrahiert (zB Zucker); gleichzeitig wird durch die Papierdicke mehr ausgefiltert (Fines, Fette, Öle) sowie Diterpene (gesünder, weniger Cholesterin)
Auswirkungen auf den Kaffee-Geschmack: Betont Süße, Balance, Komplexität, smootheres Mundgefühl; klarerer Kaffee, geringere Bitterkeit.
Kleine Materialkunde I: Von Pulp-Papier, dessen Dicke und Grammatur
Die V60-Filter aus dem Hause »Hario« bestehen aus Pulp-Papier. Dieses wird aus Zellstoff (Pulp) hergestellt, der durch chemische oder mechanische Verarbeitung von Fasern gewonnen wird. Als Ausgangsmaterial dienen oft Nadelhölzer, weil die die richtige Stabilität und Durchlässigkeit mitbringen. Pulp-Papier bildet eine matte oder gefilzte Struktur und ist eher für den schnellen Verbrauch gedacht; es ist kostengünstig, vielseitig und biologisch abbaubar.
So weit, so überschaubar. Aber jetzt kommen wir zu den ersten Spezifika: »Hario« stellt seine V60-Papierfilter aus eher dickerem Papier her. So messen zum Beispiel die Filter mit Tab (also der Lasche oben) ungefähr 206 µm, was 0,206 mm entspricht (± 22 µm). Im Vergleich dazu misst der dünnere »Sibarist«-Fast-Filter 150 µm, ebenso der TH-1/T-92 (Light Roast) von »Cafec«.
Doch damit noch lange nicht genug. Neben der Dicke des Filterpapiers spielt auch dessen Grammatur eine wichtige Rolle. Diese gibt Auskunft über die Masse der Fasern und der Additivstoffe pro Fläche und lässt auf die Stabilität und Porosität (Hohlräume) des Papiers schließen. Man misst die Grammatur in g/m², also Gramm pro Quadratmeter. In dieser Disziplin spielen die drei Vergleichspapiere in ungefähr einer Klasse. Das weiße »Hario«-V60-Papier wiegt 40-50 g/m², die »Sibarist«-Fast-Filter 50 g/m² und der TH-1/T-92 (Light Roast) von »Cafec« ebenfalls zwischen 40-50 g/m².
Kleine Materialkunde II: Von der Wechselwirkung zwischen alledem
Sind Sie noch da? Nein? Ok, wir verstehen das - wir haben uns tagelang durch alle möglichen Quellen gewühlt, bis wir den Eindruck hatten, etwas über das Thema schreiben zu können. Bis ins Letzte verstanden haben wir zwar immer noch nicht alles, aber altgediente Kaffeezubehör-Händler erkennen Sie daran, daß die gelegentlich signalieren: »So ganz klar ist mir das bis heute auch nicht«. Nun denn.
Wir kommen jetzt zur Wechselwirkung zwischen Dicke des Papiers und dessen Grammatur. Die beiden hängen eng zusammen, sollten aber keinesfalls miteinander gleichgesetzt werden. Zwei grundverschiedene Dinge. Sie korrelieren: Klassischerweise führt eine höhere Grammatur zu dickerem Papier (muss nicht, kann). Der Grund: Wo mehr Material pro Fläche, da mehr Volumen = Dicke. Es gibt aber auch die Möglichkeit, Papier mit hoher Grammatur stark zusammenzuquetschen, dann ist es vorbei mit dieser Korrelation, aber lassen wir diesen Sonderfall beiseite.
Um die Sache noch komplexer zu machen, gibt es noch eine dritte Größe zu beachten, die für uns wichtig ist: die Porosität des Filterpapiers, also dessen Durchlässigkeit. Porös ist ein Papier dann, wenn es einen hohen Anteil an Hohlräumen (Poren) besitzt. Mehr Hohlräume führen dazu, daß mehr Flüssigkeiten und Schwebstoffe durchgehen wie bei einem Papier mit weniger Löchern. Logisch, oder? Auch hier gilt: Die Grammatur und die Dicke des Filterpapiers korrelieren mit dessen Porosität: Je dicker und schwerer das Papier, umso niedriger die Porosität. Der Grund: Es gibt mehr Fasern (im dicken, schweren Papier), die die Poren verstopfen.
Die »Hario«-V60-Papierfilter haben erwartungsgemäß (eher dick, durchschnittliche Grammatur) eine eher geringere Porosität, filtern also stärker. Deren Porosität beträgt zwischen 20-30%. Im Vergleich dazu schätzt man, daß die »Sibarist«-Fast-Filter 40-50% erreichen.
Aber, halt, eines habe ich noch: Die Kenngröße Durchflusszeit. Die ergibt sich aus den drei eben geschilderten Einflussfaktoren (Dicke, Grammatur, Porosität). Auch hier kann gelten: Je dicker, schwerer und weniger porös das Filterpapier, umso höher die Durchflusszeiten, also die Zeit, die das Wasser braucht, bis es den gemahlenen Kaffee extrahiert hat und unten raustropft. Bei den klassischen weißen »Hario«-V60-Filtern beträgt sie 11-15 mL/sec, bei den »Sibarist«-Fast-Filtern 18-21 mL/sec. Chemex-Filter lassen die Sache sehr langsam angehen und bringen es auf 7,2 mL/sec.
Warum Sie das alles interessieren sollte? Weil all diese Parameter Einfluß auf den Geschmack Ihres Filterkaffees haben - und zwar nachhaltigen. Das braucht aber einen neuen Abschnitt. Ebenfalls logisch, oder?
Kleine Materialkunde III: Was wird beim Kaffeefiltern eigentlich rausgefiltert?
Bevor wir über Geschmack reden, noch eine wichtige Sache. Eigentlich zwei. Es gibt ja Papierfiltere, die eine höhere Durchflusszeit haben (»Sibarist«-Fast-Filter) und solche mit einer geringeren (»Hario«-V60-Filter). Das hat eine paradoxe Auswirkung.
* Wenn das Wasser schnell durch den gemahlenen Kaffee und anschließend durch den Filter fließt, dann werden weniger Inhaltsstoffe aus dem gemahlenen Kaffee gelöst. Logisch, oder? Gleichzeitig werden weniger Inhaltsstoffe aus dem Kaffee gefiltert, weil Filterpapiere mit höheren Durchflusszeiten größere Poren haben, die mehr durchlassen.
* Exakt umgekehrt verhält es sich bei den eher langsamen Filterpapieren: Weil das Filterpapier kleinere und weniger Poren hat, bleibt das heiße Wasser länger in Berührung mit dem gemahlenen Kaffee, löst also mehr Inhaltsstoffe, filtert aber anschließend auch mehr Inhaltsstoffe aus dem Kaffee. Paradox, wir haben es doch gesagt.
Wir kommen also nicht umhin, uns anzusehen, was beim schnelleren Durchlauf aus dem Kaffee gelöst und ausgefiltert wird und was bei langsameren Filtern passiert. Das Schöne: Am Beginn der Extraktionszeit (in der ersten 1 bis 2 Minuten) werden in allen Papierfiltern die gleichen Stoffe gelöst. Diese sind allesamt wasserlöslich, können also durch den Papierfilter (egal, wie er beschaffen sein mag), nicht ausgefiltert werden. Was haben wir denn da:
* Die Säuren: Sie verleihen Ihrem Filterkaffee Säure und Fruchtigkeit (Zitrus-, Beerennoten), machen ihn lebendig und erfrischend
* Einfache Zucker und Kohlenhydrate: Mildern die Säure ab, fügen Süße und Balance hinzu, angenehmes Gefühl im Mund
* Flüchtige Aromen: wie Frucht- und Nussnoten; fügen weitere fruchtige, nussige oder florale Noten bei - je nach Sorte und Röstung
Wenn es mit dem Filtern länger dauert wie bei den »Hario«-V60-Filtern und bei jenen von »Chemex«, dann werden auch langsam lösliche Stoffe extrahiert, die »Sibarist«-Fast-Filter nicht berücksichtigen. Als da wären:
* Phenole und Tannine: Das sind eher bittere und adstringierende Verbindungen, die zu tieferen Noten (Nuss oder Schokolade) führen können, aber auch zu einem trockenen Mundgefühl
* Komplexe Zucker und Polysaccharide: Die erhöhen die Süße im Kaffee und stärken dessen Körper; Auswirkung: Der Kaffee gewinnt an Sirupgeschmack und wird vollmundiger
* Öle und Lipide: Sie geben dem Kaffee eine schwerere, ölige Textur, verbessern dessen Cremigkeit und Aroma; können aber auch Bitternoten verstärken
* Proteine/Peptide: Sie machen den Kaffee schaumiger, smoother und führen zu einem weichen Mundgefühl
Wenn Sie freilich glauben, daß wir damit am Ende sind, dann haben Sie sich getäuscht, denn wir müssen noch klären, welche Stoffe die »Hario«-V60-Filter aufgrund ihrer geringeren Porosität rausfiltern (die sie vorher freigesetzt haben - siehe oben: paradoxe Kaffeewelt!). Als da wären:
* Fines: Das sind feine, unlösliche Kaffeepartikel mit einem Durchmesser von 10 bis 100 µm, die dadurch freigesetzt werden, daß das Wasser länger mit dem Kaffee in Kontakt steht. Das Ausfiltern dieser Schwebstoffe führt zu klarerem Kaffee; in den »Sibarist«-Fast-Filtern rauschen sie, so vorhanden, durch.
* Lipide und Öle: Diese werden (wie oben gesehen) ebenfalls bei langsamerem Durchlauf extrahiert, nur um dann vom »Hario«-V60-Filter gleich wieder ausgefiltert zu werden (bis zu 80% davon). Auch das führt zu einem klareren Kaffee. In den »Sibarist«-Fast-Filtern rauschen die Öle, so vorhanden, eher durch.
* Diterpene: Das sind so halb-lösliche Verbindungen in den Ölen; auch sie werden bei längeren Extraktionszeiten freigesetzt und dann vom »Hario«-V60-Filter wieder rausgefiltert (zu 70-90%). In den »Sibarist«-Fast-Filtern rauschen die Öle, so vorhanden, eher durch.
Weiß oder naturbelassen?
Haben Sie noch Kraft für eine abschließende Grundsatzfrage? Ok. Weiße Filter oder braune (»Misarashi«), also naturbelassene. Sie ist von einiger Bedeutung, denn die beiden Papiersorten unterscheiden sich in allen wesentlichen Eckdaten:
* Grammatur: Das weiße Papier ist leichter als das braune. Es wiegt 40–45 g/m², während das unbehandelte bei 45–55 g/m² liegt. Der Grund: Das Bleichen macht das Papier dünner, leichter und poröser
* Dicke: Hier gibt es kaum einen Unterschied. Weißes Papier: 206 ± 21 µm (in der Tab-Variante, also mit Lasche); braunes Papier: 203 ± 21 µm
* Porosität: weißes Papier: 20–30%; braunes: 15–25%
Einmal abgesehen davon, daß das braune Papier die Durchflussgeschwindigkeit reduziert und mehr Stoffe herausfiltert, lässt sich über die Qualitätsunterschiede der beiden Papierarten noch das Abschließende sagen:
* Vorteile weißes Papier: Kein Eigengeschmack nach Papier; etwas höhere Durchfluss-Geschwindigkeit; etwas günstiger; klarerer Kaffee
* Nachteile weißes Papier: Bleichprozess (zwar mit Sauerstoff, aber ein Bearbeitungsschritt mehr)
* Vorteile braunes Papier: natürlicher Zustand, ungebleicht; langsamere Durchfluss-Geschwindigkeit; höhere Ausfilterung von Inhaltsstoffen
* Nachteile braunes Papier: merkbarer Papiergeschmack (Filter muss mit heißem Wasser vorgespült werden); längere Durchfluss-Geschwindigkeit; bitterer Nachgeschmack; weniger klarer Kaffee
Es reicht. Daß alle Filter zu den entsprechenden Hand-Kaffeefiltern passen, müssen wir nicht extra betonen. Haben es aber dennoch getan. Hm.
Technische Details
Hersteller: »Hario Co., Ltd.«, Tokyo (Japan)
Name: »V60 Coffee Paper Filter«
Form des Filters: Cone (konisch)
Passend zu: »Hario«-Filtern (02) und gleich großen konischen Filtern anderer Anbieter
Tab: Die weißen Filter sind tabbed, haben also eine Lasche zum Herausnehmen / Die braunen Filter hingegen haben oben keine Lasche zum Herausnehmen
Durchfluss-Geschwindigkeit weißes Papier: medium flow (11-15 mL/sec)
Durchfluss-Geschwindigkeit braunes Papier: medium flow (15,3 mL/sec)
Dicke des weißen Papierfilters mit Tab: 206 ± 21 µm (1 µm = 0,001 mm)
Dicke des weißen Papierfilters ohne Tab: 242 ± 22 µm (1 µm = 0,001 mm)
Dicke des braunen Papierfilters (»Misarashi«): 203 ± 21 µm (1 µm = 0,001 mm)
Grammatur des weißen Filterpapiers: 40-50 g/m2
Grammatur des braunen Filterpapiers: 45-55 g/m2
Material: natürliches Pulp-Papier (wird aus Zellstoff hergestellt, der aus Holz gewonnen wird)
Verarbeitung: weißer Papierfilter wird mit Sauerstoff gebleicht (umweltfreundlich) / der braune Papierfilter ist ungebleicht
Nachhaltigkeit: Pulp-Papier ist biologisch abbaubar
Inhalt: 40 Stück / 100 Stück (je nach Verpackung)
Hergestellt in: Japan
Lieferumfang: 40 bzw. 100 Stück Filterpapiere im »Hario«-Kunststoff-Beutel bzw. -Karton
Hersteller »Hario«

Gegründet 1921 in Tokyo stellte »Hario« erst einmal Glasprodukte für den technischen Gebrauch her, insbesondere für Chemie- und Physikbedarf. Daher auch der Unternehmensname; er bedeutet: »König des Glases«. Im Laufe der Zeit weitete der König sein Portfolio aus und entwickelte eine Reihe von Produkten für den Kaffee- und Teekenner. Sie reichen von Kaffee-Syphons über Wasserkessel bis hin zu jenen Hand-Kaffeefiltern, in die diese Papierfilter exakt hineinpassen. Bitte achten Sie darauf, die passende Grösse zu bestellen.
Die Lage von »Hario Co., Ltd.«